Aus Strom mach Gas: Wie Power-to-Gas Infrastrukturen und Sektoren verbindet

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Neue Geschäftsmodelle für die Energiebranche: Mit Strom aus Wind und Sonne wird Gas zunehmend grün – und das Energiesystem flexibler und effizienter.

Erneuerbare Energien fließen nicht auf Knopfdruck, sondern dann, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Die Nachfrage passt sich daran aber nicht an: Energie wird immer benötigt. Power-to-Gas schlägt hier die Brücke und ist dadurch als Geschäftsmodell ein Wachstumsthema für die gesamte Branche: Strom aus Erneuerbaren Energien kann mithilfe der Technologie im Gasnetz gespeichert und transportiert werden – zum Beispiel hin zu Kraftwerken, an Tankstellen oder in die Heizungskeller. So verbessert Grünes Gas die Klimabilanz in der Breite der Anwendungen, macht Erneuerbare Energien speicherbar, sorgt dadurch für Flexibilität und erhöht die Versorgungssicherheit.

Ein echtes Multitalent: So entsteht grüner Wasserstoff

Wie funktioniert eigentlich Power-to-Gas ? Im Mittelpunkt steht die Elektrolyse, bei der Wasser mithilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Mit Strom aus Erneuerbaren Energien wird dabei kein Kohlenstoffdioxid (CO2) ausgestoßen; man spricht dann von grünem Wasserstoff. Und der ist ein echtes Multitalent. So lässt er sich erstens im Anschluss direkt nutzen, zum Beispiel in der Industrie oder – über die Brennstoffzellentechnologie – als Kraftstoff und zum Heizen. Zweitens kann Wasserstoff bis zu einem bestimmten Anteil dem Erdgas beigemischt und ins bestehende Netz eingespeist werden. Drittens kann reiner Wasserstoff in einem weiteren Verfahrensschritt zu sogenanntem synthetischem Erdgas (SNG) aufbereitet werden: Bei der Methanisierung reagiert Wasserstoff in Verbindung mit CO2 zu Methan (CH4).

Die Zahlen sprechen für sich: effizient und speicherbar

An diesen Herstellungsverfahren und ihrer Optimierung wird weiter geforscht. Gerade bei den Elektrolysetechnologien ist in Zukunft ein steigender Wirkungsgrad zu erwarten. In der Praxis kann schon heute bei Elektrolyse, anschließender Methanisierung und der integrierten Nutzung von Abwärme und CO2 ein Wirkungsgrad von bis zu 90 Prozent erreicht werden. Synthetisches Erdgas ist in seinen Eigenschaften identisch mit herkömmlichem Erdgas und lässt sich unbegrenzt ins vorhandene Erdgasnetz einspeisen. In den deutschen Erdgasspeichern kann die Energie problemlos auch saisonal zwischengelagert werden.

Stromüberschüsse? Bleiben im System

In windreichen Zeiten erzeugter, aber nicht abgenommener Strom kann so in andere Sektoren übertragen werden. Damit schafft Power-to-Gas die Verbindung zwischen den Anwendungsbereichen, wird also zu einer Schlüsseltechnologie der Sektorkopplung: In der Industrie, als Kraftstoff für Busse oder Pkw, zum Heizen oder wiederum zur Stromerzeugung ist der grüne Wasserstoff ebenso geeignet wie synthetisches Erdgas. Das bringt die Dekarbonisierung voran: Gerade der Verkehrs- und der Wärmebereich werden durch die klimaneutralen Gase ebenfalls grüner, der CO2-Ausstoß sinkt. Power-to-Gas zahlt so auf die Klimaschutzziele ein.

Die Technologie sorgt zudem für Flexibilität im System und für Versorgungssicherheit, weil sie die Abhängigkeit von der fluktuierenden Einspeisung der Erneuerbaren abpuffern kann. Und sie sorgt für Effizienz: Windräder müssen nicht mehr abgeregelt werden, die Stromnetze werden gleichzeitig entlastet.

Zwischen Emden und Augsburg: Anlagen von klein bis groß

Die Power-to-Gas-Technologie hat in Deutschland längst die Abteilungen für Forschung und Entwicklung verlassen: 2011 startete das erste Pilotprojekt. Mittlerweile listet die Übersichtskarte „Gas kann grün“ des BDEW rd. 30 kleinere und größere Power-to-Gas-Anlagen bundesweit auf. Zukunftsszenarien und -studien skizzieren, dass diese Zahl weiter ansteigt und ab 2030 Wasserstoff und synthetisches Erdgas in signifikanter Menge erzeugt wird

Erfahren Sie in drei Beispielen mehr über Power-to-Gas in der Praxis. => Link: https://www.bdew.de/energie/erdgas/drei-praxisbeispiele-fuer-power-to-gas-im-einsatz/

Politische Weichenstellung: Was die Branche umtreibt

Die Technologie weiter auszubauen und die Anlagen in die Fläche zu bringen, ist allerdings nicht nur eine Aufgabe für die Energiewirtschaft, sondern auch eine Frage der Rahmenbedingungen. Ganz konkret können beispielsweise staatliche Förderprogramme und regulatorische Instrumente die Forschung und Entwicklung voranbringen oder die Nachfrage des Marktes nach grünem Wasserstoff beeinflussen. Die unerwartet hohe Resonanz auf den Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“ im Sommer 2019 – ein Schwerpunkt lag auf Wasserstoffprojekten – unterstreichen erstens den Bedarf nach solcher Unterstützung. Zweitens spiegelt sich darin auch der Innovationsdrang der Branche: Mithilfe der Förderung lassen sich neue Ansätze und Technologien im Betrieb testen und analysieren, für einen reibungslosen und schnellen Transfer in die Praxis.

Aus Sicht der Branche braucht es außerdem einen offenen Wettbewerb um die besten Zukunftstechnologien: damit der CO2-Ausstoß zurückgeht und das zentrale Klimaschutzziel erreicht wird, ohne dass die Kosten explodieren oder die Versorgungssicherheit gefährdet wird. Power-to-Gas hat hier klare Vorteile, vor allem weil es die Flexibilität erhöht und als einzige Technologie Stromerzeugung, Verkehrsbereich, Wärmemarkt und industrielle Verbraucher verbindet. Aktuell herrschen allerdings in jedem dieser Sektoren unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen, bis hin zur Steuerlast.

Weitere Informationen bieten Ihnen folgende Publikationen:

Aktuelles Positionspapier des BDEW: Power-to-Gas – Eine Schlüsseltechnologie der Sektorkopplung

Der Beitrag von Gas zu einer klimaschonenden Energieversorgung: Kompendium Grünes Gas

25 Anwendungsbeispiele aus der Praxis: Best-Practice-Broschüre „Gas kann grün“ => Link: https://www.bdew.de/energie/erdgas/gas-kann-gruen-25-innovative-erdgasanwendungen/

Textquelle: https://www.bdew.de/energie/erdgas/aus-strom-mach-gas-wie-power-gas-infrastrukturen-und-sektoren-verbindet/