Eine Energiewende ohne Strom funktioniert nicht – eine ohne grüne Gase allerdings auch nicht

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Das Thema Energiewende ist in aller Munde, und das nicht nur in Deutschland. Sprachlich ist die Energiewende nämlich schon ein Exportschlager: Mittlerweile verwenden unzählige internationale Medien den Begriff und mutmaßen, ob „The German Energiewende“ nun ein Erfolg ist oder nicht. Eines steht außer Frage: Im deutschen Energiesystem, vor allem im Rahmen der Energieerzeugung, müssen Treibhausgasemissionen reduziert werden, um Umwelt und Klima zu schonen. Gleichzeitig gilt es, einen hohen technologischen Standard aufrechtzuerhalten, wirtschaftliche Produktivität zu wahren und Versorgungsicherheit und bezahlbare Energiepreise weiterhin zu gewährleisten. Das heißt: Die Energiewende ist ein langfristiger und umfassender Umbauprozess unseres Stromerzeugungs- und Energieversorgungssystems.

Der Anfang ist gemacht

Deutschland hat sich ambitionierte nationale Klimaschutz­ziele gesetzt – dabei spielen das Pariser Klimaschutzabkommen aus dem Jahr 2015 und der aktuelle Green Deal der Europäischen Union eine wichtige Rolle. Wesentliche Basis für die deutsche Energie- und Klimaschutzpolitik bildet auch das Energiekonzept der Bundesregierung von 2010. Ziel ist es demnach unter anderem, die deutschen Treib­hausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Weitere Weichen für den Energiewende-Fahrplan wurden mit dem Klimaschutzplan 2050 aus dem Jahr 2016, dem Klimaschutzprogramm 2030 und dem Bundes-Klimaschutzgesetz gestellt, beide aus dem Jahr 2019. Als langfristiges Ziel wird nun eine weitgehende Treibhausgasneutralität bis 2050 angestrebt. Eine erste Bilanz im Vergleich zum Jahr 1990 zeigt eine positive Tendenz: 1990 lagen die jährlichen Emissionen in Deutschland noch bei 1,2 Milliarden Tonnen C02-Äquivalente. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 sank der gesamte deutsche Ausstoß auf 805 Millionen Tonnen – ein Anfang ist also gemacht.

CO2-Reduktion durch Technologiemix

Der Fahrplan sieht auch Zwischenziele vor. Im Klimaschutzgesetz 2019 wurde verankert, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Dabei ist es unerlässlich, die Dekarbonisierung voranzutreiben, also CO2-intensive durch CO2-arme oder -freie Technologien zu ersetzen. Dies kann z. B. durch den Zubau von Erneuerbare-Energien-Anlagen wie On- und Offshore-Windkraftanlagen oder Photovoltaikanlagen und die schrittweise Stilllegung von Kohlekraftwerken geschehen. Allerdings ist eine Umstellung des gesamten Energiesystems auf erneuerbaren Strom nicht die alleinige Lösung. Grund dafür ist unter anderem, dass die Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Wasserkraft aufgrund natürlicher Gegebenheiten wie Windstille oder schwache Sonneneinstrahlung stark schwankt. Außerdem fehlen auf absehbare Zeit sowohl die erforderlichen Erzeugungskapazitäten als auch Transport- und Speichermöglichkeiten.

Daher wird die gesamte Bandbreite an zur Verfügung stehenden Technologien gebraucht, um die komplexe Aufgabe einer Energiewende effizient umzusetzen. Da z. B. die verbrauchsnahe Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien vorerst kaum realisierbar ist, bietet sich hier der Einsatz von Erdgas als Partner der Erneuerbaren Energien an, perspektivisch dann auch die Nutzung von grünen Gasen anstelle von fossilem Erdgas.

Gas als Rückgrat für ein erneuerbares Energiesystem

Gaskraftwerke sind flexibel einsetzbar und verursachen wesentlich weniger CO2 als Öl oder Kohle. Und sie liefern auch dann zuverlässig und planbar Strom, wenn Windräder und Solaranlagen wetterbedingt ausfallen. Damit tragen Gaskraftwerke wesentlich dazu bei, die Versorgungssicherheit in Deutschland auf dem gewohnt hohen Niveau zu halten. Darüber hinaus existieren bereits große Gasspeicher. Die Gasinfrastruktur dient somit als Rückgrat eines erneuerbaren Energiesystems und kann durch die Aufnahme grüner Gase ins bestehende Erdgassystem schrittweise zur Dekarbonisierung beitragen.

Grüne Gase: Was ist das?

Als grünes Gas werden alle Energieträger bezeichnet, die in gasförmiger Form vorliegen und bei deren Verbrennung nicht mehr CO2 freigesetzt wird als zuvor aus der Atmosphäre entnommen wurde. Dazu zählt z. B. Biogas, das aus organischen Rohstoffen wie Energiepflanzen, Reststoffen oder Abfälle hergestellt wird. Grünes Gas kann auch mithilfe der sogenannten Power-to-Gas-Technologie erzeugt werden. Dabei wird unter Einsatz von erneuerbarem Strom in einem Prozess, der als Elektrolyse bezeichnet wird, Wasserstoff erzeugt. Dieser kann in Reinform in der Industrie oder im Verkehr zum Einsatz kommen oder dem Erdgas (in gewissen Grenzen) beigemischt werden. Der Vorteil: Solche grünen Gase sind dank der bestehenden Infrastrukturen – also Transport- und Verteilnetze sowie Gasspeicher – sofort verfügbar und können so einen erheblichen Beitrag zur Klimaschonung leisten. Denn eins ist unbestritten: Für den Klimaschutz zählt vor allem, wie sich Emissionen vermeiden lassen und nicht ob eine dafür erforderliche Lösung strom- oder gasbasiert ist.